Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 6/14 - page 34

Energiewende in Thüringen
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Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Weiterentwicklung der Verteilnetze und der Speichertechnologien auf der
einen Seite sowie die Steigerung von Energieeffizienz und die Stärkung von Forschung und Entwicklung auf der
anderen Seite sind die Zutaten für eine erfolgreiche Energiewende. Mit der Thüringer Energie- und GreenTech-
Agentur – kurz ThEGA - hat Thüringen eine zentrale Einrichtung geschaffen, um die Unternehmen im Freistaat
auf dem Weg der Energiewende aktiv zu begleiten. Der WIRTSCHAFTSSPIEGEL hat mit dem Leiter der ThEGA,
Prof. Dr. Dieter Sell über die Energiewende in Thüringen gesprochen und darüber, welche Chancen sie für die
Thüringer Wirtschaft bietet.
Energiemanagement bringt
Unternehmen bares Geld
Herr Prof. Sell, die ThEGA bie-
tet Unterstützung bei der Um-
setzung der Energiewende in
Thüringen. Als Wirtschaftsma-
gazin interessiert uns natürlich
vor allem der ökonomische As-
pekt des Unterfangens. Bislang
nimmt die Öffentlichkeit Er-
neuerbare Energien als Preis-
treiber auf der Stromrechnung
wahr. Gefährdet das die Akzep-
tanz der Energiewende?
Die Zustimmung für die Energiewende
in der Bevölkerung ist unverändert sehr
hoch, denn sie ist mit dem Ausstieg aus
der Atomenergie verbunden. Zudem
versteht jeder, dass wir uns mit der
Energiewende unabhängiger von Im-
porten von Energieträgern aus dem
Ausland machen, dass wir dadurch mit-
tel- bis langfristig enorme Einsparun-
gen und Kostenvorteile sichern und
dass wir nicht Steuerzahler und künfti-
ge Generationen mit der Beseitigung
von Treibhausgasen und gefährlichen
Abfällen belasten. Soviel zu den zwei-
fellos positiven Aussichten. Richtig ist,
dass die Energiewende kein Selbstläu-
fer ist – Deutschland war in den ver-
gangenen Jahren daher so etwas wie
ein großes Energiewende-Experimen-
tierfeld. Und was ist das Ergebnis?
Technologische Sprünge, enorme Zu-
wachsraten bei der Erzeugung erneuer-
barer Energien und die Erkenntnis, dass
jeder durch ein aktives Energiemanage-
ment seinen eigenen Energieverbrauch
und seine Energieversorgung steuern
kann und somit auch seine Kosten in
den Griff bekommt. Angesichts der vielfältigen Unter-
stützungs- und Fördermaßnahmen seitens des Landes
und des Bundes ergeben sich für jeden einzelnen vie-
le Möglichkeiten. In der ThEGA beraten wir Sie gern
und stellen Ihnen Ihren individuellen Energiemanage-
ment-Fahrplan zusammen.
Der frühere Wirtschaftsminister Machnig hat
gern und oft von der Energiewende als
Chance für Thüringen gesprochen. Wie se-
hen Sie das? Welche Chancen erwachsen der
Thüringer Wirtschaft aus der Energiewende?
Die Energiewende stellt einen technologischen Sys-
temwechsel dar: Abkehr von nuklearen und fossilen
Energieträgern hin zu mehr Energieeffizienz und Er-
neuerbaren Energien. Gewinner werden also die sein,
die Innovationen umsetzen und neue Komponenten
und Dienstleistungen für das System der Zukunft lie-
fern können. Hier sehe ich viele Bereiche der Thürin-
ger Wirtschaft, die zu den Gewinnern zählen können.
Nun fallen Innovationen ja nicht vom Himmel, sie set-
zen ein kreatives Umfeld, einen Erfahrungsaustausch,
Kooperationen, Technologietransfer und Marktkennt-
nisse voraus. Aus diesem Grunde ist die ThEGA im ver-
gangenen Jahr Geburtshelfer für das Thüringer
Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN e.V.) gewesen.
Hier haben sich zum einen alle bestehenden Bran-
chenverbände der Erneuerbaren Energien in Thürin-
gen zusammengeschlossen, zum anderen sind For-
schungseinrichtungen, Kommunen und Unternehmen,
darunter auch Energieversorger, in den Verein einge-
treten. In den Arbeitskreisen des ThEEN werden Ideen
für neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt
und die Projektkonsortien werden dabei unterstützt,
Fördermittel für die Umsetzung der Projekte einzu-
werben – damit etablieren wir im Freistaat eine völ-
lig neue Innovationskultur in der Energiebranche.
Jeder, der sich hier beteiligen möchte, ist jederzeit
gern willkommen!
Welches Wertschöpfungspoten-
zial steckt nach Ihrer Auffassung
in den Erneuerbaren Energien?
Reden wir zunächst einmal über unsere
eigenen Energieverbräuche im Land, et-
wa die Hälfte unseres Strombedarfs bei-
spielsweise decken wir durch Importe.
Würde es uns gelingen, unseren Strom
selber im Lande zu produzieren, so wür-
den wir dadurch einen Milliardenbetrag
sparen. Für das Land Brandenburg wur-
de vor kurzem eine Studie zur Wind-
energie veröffentlicht, wonach alleine
mit Windstrom in Brandenburg ein Um-
satz von rund 1 Milliarde Euro erzielt
wird – das ist so viel, wie das Land mit
seiner gesamten Land- und Forstwirt-
schaft umsetzt. Da wollen wir in Thü-
ringen auch hin! Im Wärme- und Kraft-
stoffbereich lassen sich zusätzliche
große Potenziale heben. Hinzu kommt
die Wertschöpfung, die mit Produkten
und Dienstleistungen rund um die
Energiewende erzielt werden kann.
Was müsste Ihrer Meinung nach
die Landespolitik leisten, um
weiter voran zu kommen? Und
war die Novelle des Erneuerbare
Energien Gesetzes (EEG) wirk-
lich ein Schritt in die richtige
Richtung?
Von der kommenden Landesregierung
wünsche ich mir ein umfassendes Ener-
giekonzept für Thüringen, das im Zu-
sammenwirken aller Ministerien umge-
setzt wird. Weiter wünsche ich mir, dass
die ThEGA im Auftrag der gesamten
Landesregierung als Landes-Energie-
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