Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 6/14 - page 33

noch stehenden, 1994 aber endgültig
stillgelegten Kohlekraftwerkes, befin-
det sich das zum Weltkulturerbe gehö-
rende Denkmalensemble von Park und
Schloss Wörlitz. Vom Turm des fürstli-
chen Domizils reicht der Rundumblick
weit hinein in mitteldeutsche Lande. Da
offenbaren sich wie in einem Focus Si-
tuationen vergangener und zukünftiger
Energielandschaften: An den traditio-
nellen Bergbau erinnernde Halden ra-
gen ebenso spitz aus der Landschaft he-
raus wie die schon nicht mehr
zählbaren modernen „Windmühlen“.
Scheinbar klein dagegen zeigen sich die
über Felder und Wälder verlaufenden
Hochspannungsleitungen mit ihren
mächtigen Masten aus Eisen. Diesen zu
Füßen da und dort Biogasanlagen und
riesige Flächen mit Photovoltaikanla-
gen, zwischen denen Kühe und Schafe
grasen. Und auf nicht eben wenigen
Häusern mit den einst durchweg roten
Dachlandschaften erfasst das Auge dun-
kel glänzende Solaranlagen. Wer mit
dem Fahrrad oder zu Fuß in dieser ein-
ladenden Landschaft unterwegs ist,
entdeckt weitere energetische „Spuren“
wie etwa Wasseradern, die zur Energie-
gewinnung genutzt wurden bzw. noch
werden oder überkommene Brikettfa-
briken, die seinerzeit zu den moderns-
ten der Welt gehörten. Ein Glücksfall
neuer Nutzung des einst hier weitver-
breiteten Tagebaus zur Gewinnung von
Braunkohle ist der zu einer großen Un-
terhaltungsarena gewordene ehemali-
ge Tagebau-Maschinenpark „Belantis“.
So vielfältig die Spurensuche zum The-
ma Energielandschaften einst, jetzt und
in Zukunft ist, so ernüchternd oder wi-
dersprüchlich sind mit einem Denkmal-
Blick manchmal auch deren Resultate.
B
.
raunkohle – das war zu DDR-Zei-
ten ein Reizwort in vielerlei Hin-
sicht – gesundheitsschädlicher Smog
und durch die Lüfte fliegender Dreck,
der die zum Trocknen aufgehängte
Wäsche verrußen ließ, gehörten dazu.
Mit der politischen Wende von 1989
schien diese Ära vorbei. In dem an Thü-
ringen grenzenden Areal der Dörfer
Lützen (bekannt durch die Schlacht des
Schwedenkönigs) und Röcken (bekannt
als Geburtsort des Philosophen Fried-
rich Nietzsche) kann man in diesen Ta-
gen Protestschilder lesen, auf denen
sich Bürger massiv gegen die Erschließung eines neu-
en Braunkohletagebaus in dieser Region wehren.
Stattdessen auf die Windkraft ausweichen? Ein ein-
deutiges Ja gab es lange dazu. Je mehr aber sicht- und
hörbar wurde, was diese Mühlenparks während ihrer
Stromerzeugung auch mit sich bringen, teilen sich die
Meinungen. In manchen Orten auch in Thüringen so
stark, dass sich einerseits Grundstückseigentümer zu-
sammenschließen um ihren Boden für die rotierenden
„Spargelstangen“ zur Verfügung zu stellen, anderer-
seits formieren sich im selben Ort Gemeinschaften, die
dagegen sind. Deren Argumente: Die Windräder sind
laut, sie werfen Schatten, versperren landschaftliche
Sichtachsen oder solche auf beziehungsweise von
Sehenswürdigkeiten. Erinnert sei nur an den heftigen
juristischen Streit zum Thema im Umfeld der Welt-
kulturerbestätte Wartburg. Neue gesetzliche Regelun-
gen haben dem Thema inzwischen zwar manche
Schärfe genommen, doch gleicht das Aufstellen von
Windrädern und ganzen Parks weiter einem Wettlauf,
in dem die Rechtsprechung den Anbietern weiter hin-
terher läuft, wie etwa Frau Dr. Annerose Kirsch von ei-
ner regionalen Planungsgemeinschaft gegenüber un-
serer Zeitschrift sagt. Beispielhaft dafür sei der
vielerorts beginnende Ersatz „alter“ Windkrafträder
durch welche, die mit 200 Metern fast doppelt so hoch
sind und freilich auch mehr Strom erzeugen. Neue
Windräder dürfen inzwischen zwar nur in unbesiedel-
tem Gelände errichtet werden, stehen aber dort eben
vielfach in Sichtbeziehung zu den Baudenkmalen oder
in Bereichen, die Archäologen erst auf historische
Siedlungsstellen prüfen müssen.
D
.
och damit der Probleme nicht genug. Ein weite-
res ist verbunden mit der Frage, wie das mit Blick
auf die Energie der Zukunft benötigte Mehr an Strom
dorthin gelangt, wo er gebraucht wird. Das Reizwort
auch unter den betroffenen Thüringern: neue Gleich-
stromtrassen. Elektrosmog, Leukämie-Ausbreitung,
Landschaftsverschandelung, entwertete Grundstücke
und Ortschaften heißen die gängigen Stichworte der
Gegner neuer, von Nord nach Süd geplanter Trassen.
Deren in mehreren hundert Metern Abstand stehen-
den Masten bilden punktuelle Linien, für deren Er-
richtung auch noch Sekundärbauten wie Umspann-
werke, Baustraßen, Kranstellflächen et cetera
erforderlich sind.
A
.
n der Energiewende als Jahrhundertprojekt führt
kein Weg mehr vorbei. In Thüringen ist man auf
diesen Pfaden längst unterwegs. Beispielsweise auch
am Center for Energy and Environmental Chemistry
(CEEC) in Jena. Dort wird die Erfor-
schung von Materialien der nächsten
und übernächsten Generation für die
Energiespeicherung, Energieerzeugung
und für Umwelttechnologien vorange-
trieben. Das gemeinsam von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena und
dem Fraunhofer Institut für Keramische
Technologien und Systeme Hermsdorf/
Dresden betriebene CEEC hatte jüngst
Bundeswirtschaftsminister Gabriel zu
Gast. Er bestärkte die Mitarbeiter in ih-
rem Tun: „Die Energieforschung ist ein
wichtiger strategischer Schlüssel für die
Energiewende. Dies gilt insbesondere
für systemorientierte Forschungspro-
jekte wie die Entwicklung neuer
Speichertechnologien. Die Arbeiten an
ihrem Energieinstitut stellen daher ei-
nen weiteren Baustein bei der Integra-
tion der erneuerbaren Energien in das
Gesamtsystem dar.“ Forschung hier und
praktisches Handeln dort: Im Freistaat
entstehen neue Windparks und die
Netze für die Aufnahme von Ökostrom
werden ausgebaut. Zunehmend wächst
zugleich die Zahl von Orten und Privat-
personen, die auf eine dezentrale Er-
zeugung und Versorgung von Energie
setzen. Letzteres ganz im Sinne etwa
von Stephan Reimelt, dem Leiter der
deutschen Energiesparte des US-Kon-
zerns General Electric, der in einem
Interview Dezentralität zum Megatrend
in der Energiewirtschaft erhebt und
glaubt, dass dieser Trend „die Welt der
Energie komplett verändern“ werde.
Doch auch dieser Trend wird nicht spur-
los an den Belangen der Bürger und ih-
rer Umgebung vorübergehen. Es geht
vor allem um das Wie dieses raumgrei-
fenden Wandels. Wie also bewegen sich
beispielsweise Energieerzeuger und
Denkmalpfleger aufeinander zu? Was
darf die Energiewende den Denkmälern
in ihrer Landschaft zumuten? Man wird
für Kompromisse sorgen müssen, die
für beide Seiten tragbar sind. Recht-
zeitige Partnerschaften vor Ort können
verhindern, dass Menschen zwischen
Mühlsteine geraten. Oder soll man sich
auf die Seite derer stellen, die da mei-
nen: „Als wir auf die Welt kamen, waren
Strommasten und Kraftwerke schon da.
Die jetzige junge Generation wird mit
den neuen Landschaftsbildern aufwach-
sen und diese als selbstverständlich
hinnehmen.“
Autor: Heinz Stade
Heinz Stade, freier Journalist und Buchautor, lebt
in Erfurt. Für sein Buch „Leben und Arbeiten im
Denkmal“ erhielt er den Deutschen Denkmalpreis,
2004 bekam er den Thüringer Journalistenpreis.
.
Unser Autor
.
Energiewende in Thüringen
33
1...,23,24,25,26,27,28,29,30,31,32 34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,...52
Powered by FlippingBook