Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 6/14 - page 11

Fach- und Führungskräfte
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Spieler die Prinzessin nur retten. Wenn
Kinder hingegen eine Geschichte hör-
ten, versuchten sie sich vorzustellen,
wie diese aussehen könnte und sie ent-
wickelten Mitgefühl für sie. „Der Unter-
schied ist, dass andere Menschen dabei
eine Bedeutung und einen Kontext be-
kommen.“
Kürzere Aufmerksamkeits-
spanne und höhere
Risikobereitschaft
Der Umgang mit digitalen Medien brin-
ge insgesamt gute und schlechte
Veränderungen. „Positiv ist, dass durch
moderne Technologien sozialisierte
Menschen möglicherweise einen höhe-
ren IQ haben“, meint Greenfield. Denn
wer zum Beispiel mit Videospielen die
mentale Beweglichkeit trainiere, könne
Informationen schneller verarbeiten.
Gleichzeitig könnte sich aber auch die
Aufmerksamkeitsspanne verkürzen.
„Wer Action-Spiele spielt, entwickelt
vermutlich eine höhere Risikobereit-
schaft, weil man dabei lernt, dass be-
stimmte Handlungen keine Konsequen-
zen haben.“
Social Media: Mehr Schein
als Sein?
Die Ambiguität digitaler Medien zeigten
auch Erfahrungen mit Social Media.
„Wenn zum Beispiel ein guter Freund
von Ihnen nach Australien geht, dann
kann Social Media von Vorteil sein und
Spaß machen.“ Anders verhalte es sich
aber, wenn man in sozialen Netzwerken
nur mit Menschen Kontakt habe, die
man nicht persönlich kenne. Wer ein
falsches Bild von sich selbst entwerfe
und eine falsche Identität aufbaue, füh-
le sich einsamer. Denn dabei gebe man
vor, eine Person zu sein, die man nicht
ist. Dies könne zu einer schwach ausge-
prägten Identität und geringem
Selbstbewusstsein führen.
.
Hintergrund
.
„Mind Change“ in der
Arbeitswelt begegnen
„Vieles hängt davon ab, wie die Technologie einge-
setzt wird“, folgert die Britische Wissenschaftlerin. Für
Personalverantwortliche komme es zukünftig darauf
an, diese Entwicklungen zu erkennen – nur dann
könnten sie entsprechend handeln. Menschen mit ei-
ner geringen Empathie-Fähigkeit und einer schwa-
chen Identität benötigten etwa ständiges Feedback. In
diesem Zusammenhang sei es wichtig, Mitarbeitern
einen Sinn für Identität zu vermitteln und ihnen zu
zeigen, dass Aktionen und Konsequenzen zusammen-
hingen. „Unternehmen brauchen einen konzeptionel-
len Rahmen, damit die Mitarbeiter das Gesamtbild
Baroness Susan Greenfield ist eine Britische
Hirnforscherin, Schriftstellerin und Mitglied
des House of Lords. Als Spezialistin für die
Physiologie des Gehirns untersucht Green-
field, wie sich Technologien des 21. Jahr-
hunderts auf den Geist und das Bewusstsein
auswirken. Sie leitet eine multidisziplinäre
Forschungsgruppe, die sich mit neuartigen
Hirnmechanismen in Zusammenhang mit neu-
rodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer
oder Parkinson beschäftigt. Greenfield ist
Senior Research Fellow am Lincoln College in
Oxford und hat kürzlich ein Biotech-Unter-
nehmen mitgegründet.
Zum Thema Hirnforschung hat sie eine Reihe
von allgemeinverständlichen Büchern ver-
fasst, die in viele Sprachen übersetzt wurden.
Im August 2014 ist ihr neues Buch „Mind
Change“ erschienen. Die als „Superstar der
britischen Wissenschaftler“ geltende Hirnfor-
scherin tritt regelmäßig im Radio und Fern-
sehen auf und hält Vorträge für die Privat-
wirtschaft und den Public Sector. Als
Gastprofessorin hat sie an zahlreichen Univer-
sitäten im In- und Ausland gelehrt sowie viel-
fältige renommierte Preise und Auszeich-
nungen erhalten.
verstehen und die Arbeit für sie eine
Bedeutung bekommt.“
Freien Ausblick auf die Natur
Ein weiterer Aspekt: Viele Menschen
fühlen sich angesichts der neuen
Medienflut überfordert – vor allem am
Arbeitsplatz. Um deren Wohlbefinden
zu steigern, empfiehlt Greenfield Büros
mit Zugängen ins Freie oder wenigsten
einem Ausblick auf die Natur. „Unter-
suchungen zeigen, dass sich Kreativität
steigern lässt, indem wir uns in natürli-
chen Umgebungen aufhalten. Wir wis-
sen auch, dass Denken durch Spazieren-
gehen angeregt wird.“ Deshalb sei es
hilfreich, wenn Beschäftigte in einem
Gebäude umhergehen könnten. Das ha-
be zusätzlich den Vorteil, dass sie je-
mandem begegneten, der sie inspiriere,
und dass ihre Augen in der bildschirm-
freien Zeit entlastet würden.
Stressbewältigung statt
Anti-Stress-Verordnung
Hilfreicher als eine gesetzliche Anti-
Stress-Verordnung, die Mitarbeiter vor
der Arbeit am Abend, am Wochenende
oder im Urlaub schützen soll, findet die
Hirnforscherin einen aktiven Umgang
mit Überforderung. „Bis zu einem ge-
wissen Punkt ist Stress ein Teil dessen,
was uns als menschliche erwachsene
Wesen ausmacht. Wir können nicht so
tun, als gäbe es das nicht.“ Deshalb ge-
he es am Arbeitsplatz darum, den
Beschäftigten bei der Bewältigung
schwieriger Situationen zu helfen. Be-
triebe könnten entsprechende Trai-
ningsangebote anbieten – etwa zu
Achtsamkeit und Meditation. Aber eine
Zauberformel, die für alle Menschen
funktioniere, gebe es dabei nicht.
Greenfield rät vielmehr: „Unternehmen
müssen Menschen erlauben, sie selbst
zu sein und ihre Talente zu entwickeln,
wo auch immer diese liegen.“ (em/tl)
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